Kunst und Kulturthemen

Kunst und Kultur
in Lateinamerika

Stadt Nacht

Lateinamerika – ein bunter Kontinent geprägt durch verschiedene Kunst- und Kulturformen.

In Lateinamerika besteht ein Miteinander verschiedener Kulturen und ethnischer Gruppen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Der Kontinent war lange Zeit durch eine Kolonialherrschaft geprägt, die zu einer teilweisen Ausrottung der Ureinwohner und einer Zwangsansiedelung afrikanischer Sklaven führte. In der Folge entstanden in den Ländern Lateinamerikas multikulturelle Gesellschaften mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen mit teils endogener, teils afrikanischer und teils europäischer Herkunft.


Christliche Religionen und die spanische Sprache zählen zu den dominanten kulturellen Merkmalen, wobei in den ehemals britischen Kolonialgebieten Englisch und in Brasilien Portugiesisch gesprochen wird. Daneben weist Lateinamerika eine Vielfalt an indigenen Sprachen, religiösen Zugehörigkeiten und kulturellen Traditionen auf. Viele Länder Lateinamerikas sind zudem durch einen US-amerikanischen Lebensstil gekennzeichnet.


Aus dieser Mischung entsteht lateinamerikanische Kunst mit ihren leuchtenden Farben und feurigen Rhythmen und zeigt in ausdrucksvoller Weise die Entwicklung ihrer Gesellschaften.

Lateinamerikanische
Musik - Ausdruck purer Lebensfreude

Cafe Terry Cienfuegos Lifemusik

Lateinamerikanische Musik kann als Mischung aus afrikanischen Rhythmen und spanischen Melodien bezeichnet werden, und ist der Inbegriff für die Tänze, Rhythmen und Musikstile der Länder Lateinamerikas. Als typisch lateinamerikanisch gilt dabei die Musik aus Kuba mit ihrem einzigartigen Charakter und ihrer starken afrikanischen Prägung. Diese ist auf die afrikanisch stämmige Bevölkerung zurückzuführen, die in den vergangenen Jahrhunderten als Sklaven in den mittel- und südamerikanischen Raum sowie in die Südstaaten der USA verschleppt wurden. Daher überwiegen in Lateinamerika afro-brasilianische, afro-kolumbianische und afro-karibische Musikformen.


Es gibt aber noch weitere Einflüsse in der lateinamerikanischen Musik. Die Musik der Anden (Bolivien, Peru, Kolumbien) etwa ist mit vorkolumbianischen Stilelementen wie der Obertonharmonik und der Pentatonik vermischt worden. Im Folgenden möchten wir einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Stile der afro- und lateinamerikanischen Musik darstellen.

Traditionelle lateinamerikanische Musik (entstanden im 18. und 19. Jahrhundert in den ländlichen Regionen).

  • Afro-karibische Musik: entwickelte sich in Kuba und den benachbarten Inseln aus afrikanischen und europäischen Elementen (etwa Son oder Merengue).
  • Afro-brasilianische Musik: entstand in Brasilien aus Rhythmen der afrikanischen Sklaven und portugiesischen Elementen (etwa Samba).
  • Afro-kolumbianische Musik: eine in Kolumbien entstandene Mischform aus europäischen und afrikanischen Elementen, die anders als in der afrokubanischen und afrobrasilianischen Musik von Melodie-Instrumenten wie dem Akkordeon dominiert ist.
  • Musik der Andenländer: beeinflusst von spanischen Melodie-Elementen sowie der präkolumbischen Musik der indigenen Bevölkerung (etwa Carnavalito).
  • Folklore Musik aus Argentinien, Chile und Uruguay: entstanden aus der spanischen Folklore Musik.
    Blues: eine Musikrichtung, die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA entwickelte, und später Musikrichtungen wie den Jazz, den Soul und den Rock’n’Roll beeinflusste.-

Mischformen mit anderen Musikrichtungen (häufig erst Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden).

  • Salsa: eine Mischform mehrerer Stile aus dem karibischen Raum bzw. den USA.
  • Bossa Nova: eine in Brasilien entstandene Mischform aus einheimischen Stilrichtungen und Jazz.
  • Tango Argentino: ein aus Buenos Aires und aus Montevideo stammender melancholischer Ausdruckstanz.
  • Latin Jazz: eine in New York entstandene Mischung aus Jazz und afro-kubanischer Musik (insbesondere Mambo-Salsa).
  • Latin Rock: eine in den USA entstandene Mischform aus Rock und afrokaribischen Stilen.
  • Latin Pop: eine aus Popmusik und lateinamerikanischen Stilelementen entstandene Mischung.

Neuere Formen lateinamerikanischer Musik (tlw. von traditionellen Stilelementen, tlw. von anderen Stilen abgeleitet).

  • Reggaeton (etwa aus Puerto Rico oder Kuba)
  • Latin Hip Hop,
  • Merengue Hip Hop
  • Cumbia Villera,
  • Cumbia Romántica
  • Rio Funk,
  • Electrotango, Tecno
  • Cumbia
  • Latin House, Latin
  • Techno, Latin Ska
  • Cuarteto Merenguero (besteht aus spanischen, italienischen und afrokaribischen Elementen und stammt aus der Stadt Cordoba)
  • Timba
  • Rock nacional

Erfolgsgeschichte Lateinamerikanische Musik - Rhythmen für die Welt

Gittarist Kuba

Die lateinamerikanische Musik ist heute ein zentraler Bestandteil der Mainstream Popmusik in Europa und Nordamerika. Seit aus traditioneller lateinamerikanischer Musik und aus Einflüssen der Pop Musik viele neue Musikrichtungen wie Salsa, Reggaeton und Latino-Pop entstanden sind, und zahlreiche Interpreten wie Jennifer Lopez, Shakira, Christina Aguilera, Sepultura, Selena Gomez, Ricky Martin, Enrique Iglesias, Romeo Santos, Pitbull oder bereits früher Bob Marley einen enormen Bekanntheitsgrad erreicht haben, ist die musikalische Präsenz Lateinamerikas in der Welt nicht mehr zu übersehen. Dies liegt auch an der enormen Kaufkraft der zuletzt stark angewachsenen Latinobevölkerung in den USA. Viele bekannte Sänger wie Gloria Estefan, Thalía, Paulina Rubio eroberten von den USA aus den globalen Musikmarkt.

 

Lateinamerikanische Musik trägt stark zu unserem Bild über die Menschen und die Kultur der Länder Lateinamerikas bei, ein Bild das geprägt ist von tanzenden Menschen und deren Lebensfreude, aber auch von tiefen Gefühlen wie Trauer, Hoffnung und Sehnsucht nach Liebe. Die lateinamerikanischen Rhythmen der Pop- oder Rockmusik sind in unseren Ohren heute ebenso allgegenwärtig wie der heiße Samba des Karnevals in Rio de Janeiro mit seinen extravaganten Kostümen und Trommelbeats oder der stark religiös beeinflusste Reggae aus Jamaica. Hits wie “Get Up, Stand Up” oder “No Woman No Cry” des Sängers Bob Marley sind weltweit bekannt und haben die Reggae-Musik breiten Massen geöffnet.

 

Neben den Welthits des Latino-Pop und den temperamentvollen Rhythmen des brasilianischen Sambas oder dem entspannenden Reggae verbinden wir mit Lateinamerika aber auch die melancholische Musik der Anden, die von Blasinstrumenten wie der Siku, einer Panflöte, oder der Quena, einer Kerbflöte, dominiert ist. Auch die Salsa ist ein Inbegriff von lateinamerikanischer Musik und Tanz, der durch Sänger wie Oscar d’León aus Venezuela oder Luis Miguel aus Puerto Rico einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurde. Musik ist aktuell wohl einer der wichtigsten Kulturexporte Lateinamerikas und der Karibik, und ist der Latino-Einfluss in der modernen Popmusik deutlich erkennbar.

Lateinamerikanischer Tanz
- so vielfältig wie das Leben

Der lateinamerikanische Tanz zeichnet sich durch ein breites Angebot an Tanzstilen aus, und begeistert die Menschen immer wieder aufs Neue.

 

 

Eine große Rolle bei der Entwicklung lateinamerikanischer Tanzformen spielten die Andenländer, Bolivien, Chile, Kolumbien, Peru und Ecuador, die mit ihren Tänzen und Liedformen die Musiklandschaft in Lateinamerika in besonderem Maße geprägt haben. Der Vallenato etwa ist ein Tanz, der dieser Musikrichtung entstammt und als wichtiges Beispiel genannt werden kann. Der Vallenato prägte mit seinen kolumbianischen Einflüssen in der Folge auch die Salsa. In Lateinamerika lassen sich bestimmten Regionen häufig spezifische Tänze oder Liedformen zuordnen, aus deren typischen Rhythmen sich dann weitere Tanz- und Musikrichtungen entwickelt haben. Der Calypso, der Baiao und der Lambada etwa stammen aus den Ländern Argentinien, Brasilien und der Karibik und wurden weltweit bekannt.

 

 

Der Mambo entwickelte sich nach 1930 in Kuba und ist das Ergebnis einer Mischung von Son und Danzon. Mit der Übersiedlung zahlreicher Süd- und Mittelamerikaner in die USA kam es zu einer leichten Vermischung aus kubanischen Rhythmen und dem Jazz. Mitte der 50er Jahre erreichte der Mambo dann auch Europa. Da der Tanz rhythmisch aber sehr kompliziert ist, wurde er vielfach durch einfachere Musikstile und Tänze wie den Cha-Cha-Cha und die Rumba verdrängt und ist gegenwärtig nicht mehr sehr populär.

 

 

Die Rumba hat ebenfalls kubanische Wurzeln und ist heute ein beliebter Gesellschafts- und Turniertanz, der 2013 vom World Dance Council zum Tanz des Jahres erklärt wurde. Das Wort “Rumba” bedeutet in der Karibik so viel wie “nächtliches Fest” oder gemeinsames Musizieren. Erwähnenswert ist auch, dass es in Europa in den 60er Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen (den sog. “Rumbakriegen”) zwischen den Anhängern der amerikanisch beeinflussten Rumba und der Rumba im kubanischen Stil kam. Letztlich einigte man sich darauf, dass beide Varianten zugelassen werden. Im internationalen Tanzsport hat sich mittlerweile aber der kubanische Stil durchgesetzt.

 

 

Die ursprüngliche Form des Cha-Cha-Cha stammt ebenfalls aus Kuba und zwar aus einer Abwandlung des kubanischen Tanzrhythmus Danzon. Der Cha-Cha-Cha verbreitete sich sehr schnell über die kubanischen Grenzen hinweg und wurde in den Vereinigten Staaten zu einem Modetanz, unterstützt auch durch die berühmten Mambo- und Cha-Cha-Cha-Orchester des Tanzsalons Palladium in New York. Der Cha-Cha-Cha ist trotz zahlreicher Ähnlichkeiten von der Rumba abzugrenzen, da er ursprünglich vom Mambo kommt. Der Cha-Cha-Cha ist heute Bestandteil des Welttanzprogramms und wird weltweit in vielen Tanzschulen unterrichtet.

 

 

Die überaus populäre Salsa ist eine Mischform mehrerer Tanzstile aus dem karibischen Raum bzw. den USA und Europa. Herzstück der Salsa und für die Entwicklung der Salsa-Musik von zentraler Bedeutung ist der kubanische Son. Der Son wurde aus einer Kombination von anderen Rhythmen und Tänzen, unter anderem auch der Mambo, zur Salsa weiterentwickelt. In den 60er und Anfang der 70er Jahre wurde dieser Mischung in New York der Name Salsa verliehen. Der Salsa-Tanz verbreitete sich anschließend über die gesamte spanischsprachige Karibik und es entwickelten sich eigene Stilrichtungen in Kuba (Los Van Van), in Puerto Rico, Venezuela (Oscar D’ Leon) und Kolumbien (Grupo Niche) sowie in Mexico City und Lima, ja sogar in Japan (Orquesta de la Luz).

 

 

Der Bachata entstand ursprünglich als eine Form des kubanischen bzw. karibischen Boleros in der Dominikanischen Republik. Der populäre Bachata-Rhythmus trat erstmals in den 20er Jahren auf. Zunächst war Bachata aber weniger zum Tanzen gedacht, sondern eine romantische Trio-Gitarrenmusik, vergleichbar mit der mexikanischen Mariachi-Musik. Erst durch die Einflüsse aus anderen Stilrichtungen wie dem Merengue und einer Erhöhung des Tempos wurde der Bachata zur Tanzmusik. Der Bachata ist dabei kein standardisierter Tanz, sondern gibt es viele Variationen und Bewegungsabläufe. Getanzt wird der Bachata sehr eng und hüftbetont, und wirkt daher sehr erotisch. Noch in den 70er und 80er Jahren galt der Bachata als vulgäre Musik, die mit Prostitution, Kriminalität und Armut assoziiert, und im Gegensatz zu Salsa und Merengue selten im Radio gespielt wurde. Erst als das Album Bachata Rosa (Juan Luis Guerra) 1992 einen Grammy gewann, änderte sich dieses Image. Mittlerweile ist der Bachata ein international anerkannter Turniertanz.

 

 

Der Samba entwickelte sich ursprünglich aus einem brasilianischen Volkstanz, der von afrikanischen Sklaven nach Brasilien gebracht wurden. Mit Hilfe des samba de roda, gaben Die Sklaven brachten durch die samba de roda, einer Mischung aus Musik, Poesie und Tanz, ihre Geschichte, Kultur und Erfahrung zum Ausdruck. Zur rhythmischen Begleitung werden bei der Samba Trommeln und andere typisch brasilianische Instrumente eingesetzt. Der Samba ist heute der Haupttanz des Karnevals in Rio und fester Bestandteil im Turnierprogramm der lateinamerikanischen Tänze.

 

 

Die Ursprünge des Tango Argentino finden sich im Argentinien des 19. Jahrhunderts, wo am Rio de la Plata verschiedenste Völker und Kulturen aufeinander trafen, vor allem siedelten sich Einwanderer aus Südeuropa sowie afrikanische Sklaven an. Die musikalischen Elemente, die zur Entstehung des Tango Argentino beigetragen haben, sind sehr vielfältig. Einen wichtigen Einfluss auf Rhythmus und Choreografie hatten der Candombe, eine Tanzpantomime der Kreolen und Afrikaner, sowie die Habanera, die aus Kuba kam. Daneben gab es auch Einflüsse aus Europa, beispielsweise kam das das Bandoneon, ein für den Tango typisches Instrument aus Deutschland. Das Leben der Auswanderer dieser Zeit war häufig durch Arbeitslosigkeit und Not geprägt, weshalb die Menschen in der Gegend um Buenos Aires und Montevideo ihre Gefühle und Sehnsüchte in einer neuen Musikrichtung, der Milonga, zum Ausdruck brachten, und zu dieser Musik tanzten. Zunächst waren Flöte, Violine und Gitarre die Standardinstrumente der durch Kneipen, Tanzsäle und Straßen ziehenden Musiker. Aus den eher fröhlichen Liedern der Milonga wurde dann später der ernstere Tango, und setzten sich Klavier und Bandoneon als typische Tangoinstrumente durch. Der Tango verbreitete sich in der Folge von Buenos Aires aus auf der ganzen Welt und wurde 2009 zum UNESCO Kulturerbe erklärt.

Lateinamerikanische Malerei - Ausdruck gesellschaftlicher Realitäten

Der Beginn der Kolonialherrschaft in Lateinamerika im 15. Jahrhundert brachte enorme Veränderungen für die indigenen Kulturen und Regionen mit sich. Die Europäer brachten neben ihrer Religion auch ihre Kunst- und Kulturtraditionen, etwa ihre Malereien und Skulpturen aus der Antike mit. Diese trafen auf die Jahrhunderte alten Zivilisationen und künstlerischen Praktiken der Ureinwohner Südamerikas. Lateinamerika erlebte dadurch nach dem europäischen Kontakt im Laufe der Jahrhunderte weitgehende kulturelle und politische Veränderungen. Diese Veränderungen zeigen sich unter anderem in der bildenden Kunst dieser Regionen.

 

Lateinamerikanische Maler haben trotz der Einflüsse aus der Kolonialzeit auch die indigenen Traditionen beibehalten, daneben aber auch Kunststile aus Europa und den Vereinigten Staaten angenommen und diese an ihre lokalen Kulturen und Erfahrungen angepasst. Als Lateinamerika später wieder vermehrt nach seiner eigenen Identität gesucht hat, haben die Maler die Vergangenheit, die Kultur, die Religion und die politische Umgebung der einzelnen Regionen sowie ihre eigenen persönlichen Vorstellungen und Eindrücke genommen, um eine eigene Tradition lateinamerikanischer Malerei zu schaffen. Es entstand ein breites und vielfältiges Spektrum an Kunstwerken, das zu einem der bedeutungsvollsten Kunstkulturen weltweit zählt.

 

 

Dieser einzigartige Stil in der Malerei Lateinamerikas zeichnet sich häufig auch dadurch aus, dass in den Bildern vorhandene soziale Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden. Anerkannte Maler wie etwa Frida Kahlo, Juan Soriano, Roberto Matta oder Jose Guadalupe Posada beschäftigen sich in ihren Werken vorwiegend mit den Gegebenheiten und Problemen, die sie in ihrer Heimat umgeben. Auch aktuell nutzen viele Maler in Lateinamerika ihre Kunst dazu, um auf kontroverse Themen aufmerksam zu machen und diese für alle zugänglich zu machen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Straßenkunst und Wandmalerei, auch “murales” genannt, die den öffentlichen Raum in verschiedenen Ländern Lateinamerikas prägt.

 

Die Wandmalerei hat dabei eine alte Tradition, seit Urzeiten haben Menschen Wände bemalt, um mythische oder rituelle Inhalte mitzuteilen, wie etwa in den Höhlen von Altamira in Spanien. Im ersten Jahrhundert nach Christus haben die Frühchristen Wände in Katakomben bemalt, um miteinander zu kommunizieren. Da nur die Gruppenmitglieder die Inhalte verstehen konnten, blieben diese vor den römischen Verfolgern verborgen. Diese Wandgemälde können daher als Vorläufer von Straßenkunst und Graffiti im modernen Sinne betrachtet werden.

 

In Lateinamerika erweckten Künstler wie Diego Rivera, Clemente Orozco und David Siqueiros in Mexiko die Wandmalerei im öffentlichen Raum zu neuem Leben. Durch die Gründung einer eigenen Bewegung, der Movimiento Muralista Mexicano (“mexikanische Straßenkunst-Bewegung”), wollten sie die indigene Kultur neu beleben und Kunst für das Volk machen. Es handelte sich um traditionell ausgebildete Künstler, die sich von jeglichen Formalitäten befreiten und mittels ihrer Wandmalerei eine neue öffentliche Kommunikation schufen. Der Eindruck der großdimensionierten Wandgemälde auf die vorwiegend analphabetische Landbevölkerung muss enorm gewesen sein, da auch viele Elemente der mexikanischen Kultur enthalten waren. Nach der langen Zeit der Kolonialherrschaft fanden sich die mexikanische Urbevölkerung und die mexikanische Kultur jetzt als Darsteller der Geschichte auf den Wandgemälden wieder.

 

Die Wandkunst-Bewegung fand als Folge der Wirtschaftskrise, ausgehend von Mexiko, Kolumbien, Venezuela, Peru, Chile, Bolivien, Brasilien, Uruguay und Argentinien, später auch in den USA immer mehr Anhänger, die auf die soziale Ungleichheit aufmerksam machen wollten. In den 70er-Jahren entwickelt sich in New York und Philadelphia die Graffiti-Kunst, die auch als Nachfolger der murales bezeichnet werden kann, und die sich schließlich auf der ganzen Welt verbreitete. In den vergangenen Jahren ist die Graffiti-Kunst mehr und mehr zum Mainstream geworden, wurde durch Galerien institutionalisiert und in Museen “eingeschlossen”. Heute nutzen auch bekannte Marken und Firmen die Techniken der Künstler für Werbeaktionen. Es existiert aber weiterhin auch eine kritische und politische Straßenkunst, die ohne diese Vermarktung auskommt, wie zum Beispiel die Künstlerinnen-Gruppe “Mujeres Creando” aus Bolivien oder die die “Pixadores” in Sao Paulo.

 

Die Künstlerinnen derMujeres Creando nutzen Graffiti als Ausdrucksform und besprühen Wände und Gebäude in La Paz und klagen Rassismus sowie staatliche, familiäre, sexuelle und institutionelle Gewalt an. Dieses öffentliche Anprangern von patriarchaler Gewalt und Amtsmissbrauch hat die sozialen Bewegungen Boliviens beeinflusst. In São Paulo ist Graffiti durch junge Künstler, den sog. “Pixadores”, sehr bekannt geworden. Diese sprayen ihre Bilder und Messages auf die höchsten Gebäude der Stadt, und zwar auf Stellen, die sie erst durch Freiklettern oder Abseilen erreichen. Der lateinamerikanische Graffiti-Stil blieb aufgrund seiner Abgeschiedenheit frei vom Einfluss westlicher Graffitis oder typografischen Grundregeln bis heute erhalten und ist ein gutes Beispiel für die eigene lateinamerikanische Tradition im Bereich der bildenden Kunst. Dabei ist seine große Stärke, dass er eine Kunst für alle ist, die öffentliche Debatte fördert und eine starke soziale Funktion hat. Die Wände werden nicht nur bemalt, um sie zu verschönern, sondern mit Graffitis wird auch kommentiert und protestiert.

Kunst auf kuba

Kuba ist ein Beispiel für die Vermischung verschiedener Kulturen und Völker. Etwa 12% der Einwohner stammen von verschleppten afrikanischen Sklaven ab, ein Anteil von 70% sind Nachkommen spanischer Einwanderer, der Rest setzt sich aus den Nachfahren weiterer Volksgruppen, u.a. Asiaten, zusammen. Im Laufe der Jahrhunderte formte sich dabei aus diesem Völkergemisch eine eigene Identität, die durch Freundlichkeit, Lebenslust und Gastfreundschaft bestimmt ist. Parallel dazu entwickelte sich eine bunte und vielfältig gestaltete Kunst- und Kulturszene auf der größten Insel der großen Antillen.

 

In den Bereichen Musik und Tanz, aber auch der Poesie und der bildenden Kunst gibt es in Kuba immer wieder bemerkenswerte Künstler und neue Stilrichtungen.

Von Salsa, Santería und Reggeton. Die Musik auf Kuba ist bunt wie die Geschichte des Landes.

Traditionelle kubanische Musik

Musik war in Kuba immer ein Ventil, Musik ist die Seele der Kubaner und ist auf den Straßen der Altstadt von Havanna, den Wohnvierteln, den Clubs und Diskotheken, den Restaurants, den Stränden oder dem Malecon permanent präsent. Musik ist Kuba, Kuba ist Musik, das gilt seit der Zeit des Kolonialismus, und daran hat im Grunde auch die kubanische Revolution unter Fidel Castro nichts geändert. Diese führte zwar zu durchgreifenden Veränderungen der kubanischen Gesellschaft, die kubanische Musik blieb aber weiterhin ein wichtiger Bestandteil der kubanischen Identität und entwickelt sich ständig weiter.

 

Die kubanische Musik entstand ursprünglich aus der Musik der afrikanischen Sklaven und der Musik der europäischen Einwanderer und Kolonialherren, die Musik und Tänze aus ihren Heimatländern mit nach Kuba brachten. Sie war eine Kreation aus Sklavenmusik und spanischer Musik. Die Sklaven bauten Perkussions-Instrumente aus ihrer afrikanischen Heimat nach und erzeugten so die passenden Rhythmen. Zu den wichtigsten Instrumenten gehörten die Clave, die Conga und die Batá-Trommeln. Später hatte die kubanische Musik dann entscheidenden Einfluss auf die Musik in vielen anderen Ländern, etwa die Entwicklung des Jazz, der Salsa Musik, des argentinischen Tangos, des Westafrikanischen Afrobeats oder des spanischen “Flamenco Nuevo”.

 

Eine der Hauptrichtungen in der Kubanischen Musik war der “Son”, der die Grundlage für viele nach ihm kommende Stilrichtungen gelegt hat. Die Charakteristiken des Son variieren heute sehr stark, wobei ein Grundelement der Bass-Impuls ist, der vor dem Downbeat, dem vorweggenommenen Bass kommt. Der Son und die von ihm abgeleiteten Musikrichtungen, etwa der Salsa-Rhythmus, erhalten dadurch ihren typischen Stil. Auch die sehr populäre Salsa-Musik entwickelte sich aus einer Kombination des Son mit anderen Lateinamerikanischen Musikformen wie dem Mambo und der Rumba. Die Rumba ist eine Tanzmusik, bei der Schlaginstrumente wie das Quinto, die Tumbadora-Trommeln und die Palitos mit dem Cascara-Rhythmus vereint werden. Das wichtigste Element der Rumba ist der Rhythmus. Das Wort Rumba leitet sich von rumbear ab, was so viel bedeutet wie “eine gute Zeit haben, Party machen”, und dafür ist Kuba mit Sicherheit die richtige location.

 

In den 1960er und 1970er Jahren entstand die Nueva Trova, eine weitere Musikrichtung, die sich durch sehr lyrische und sozialkritische Musik kennzeichnet. Bekannte Vertreter dieser Richtung waren Silvio Rodríguez und Pablo Milanes. Son und Nueva Trova bilden auch heute noch die populärsten Formen der traditionellen kubanischen Musik und nahezu alle kubanischen Musiker spielen Musik, die von einem dieser beiden Genres abgeleitet sind. Vertreter des traditionellen Son sind etwa die Musiker Jóvenes Clásicos del Son, das Orquesta Aragón und das Septeto Nacional.

 

Durch den Anstieg der Touristenzahlen in Kuba kam die kubanische Musik in den 90er Jahren zu einem großen Bekanntheitsgrad. Dieser nahm durch die Veröffentlichung des Albums und Filmes Buena Vista Social Club im Jahr 1997 weiter zu. Die Aufnahmen von Veteranen der kubanischen Son Musik, die von dem US-amerikanischen Musiker und Produzenten Ry Cooder gemacht wurden, und der Film des deutschen Filmemachers Wim Wenders verkauften sich millionenfach und machten die achtzigjährigen kubanischen Musiker Ibrahim Ferrer, Joseíto Fernández und Compay Segundo zu Weltstars.

 

Die klassischen kubanischen Rhythmen begeistern auch heute noch und sind die Klänge des Sons, des Mambos oder des Danzons, aber auch Salsa und Rumba allgegenwärtig auf Kuba. Und beim Tanzen ist das politische System nur Nebensache, in welche Richtung sich Kuba auch entwickelt, die Freude am Tanzen und Musizieren lassen sich die Kubaner nicht nehmen. In Havannas angesagten locations wie der casa de la musica oder der fabrica arte cubana, treten regelmäßig berühmte Musiker oder Bands wie Los Van Van oder La Charanga Habanera auf.

Santeria und afroamerikanische Religionen

Gesang und Tanz zum Rhythmus von Bata-Trommeln, Tieropfer und Rituale mit Hühnerblut, das sind die Zutaten der afrokubanischen Naturreligion Santeria, die in Kuba auch heute noch praktiziert wird. Eine große Anzahl der kubanischen Bevölkerung, auch Katholiken, sucht Rat und Hilfe bei Santeros oder einem Babalao und praktiziert aktiv die Santeria. Im Zentrum der religiösen Handlungen stehen die Orishas, die Götter der Religion der Yoruba, beispielsweise Elegua, Ogun, Ochosi, Yemaya, Oshun, Oya, Shango und Obatala. Die Yoruba sind ein afrikanischer Stamm, der heute vor allem in Nigeria lebt. Die Orishas stehen mit einer Naturkraft in Verbindung und personifizieren die Naturgewalten Wasser, Erde, Luft und Feuer. Der Orishaskult, der insbesondere über das Essen, die Musik und die Tänze praktiziert wird, ist einer der wichtigsten Elemente bei Santeria Festen. Den Orishas werden eine bestimmte Musik in Form eines eigenen Trommelschlages und Gesanges, sowie bestimmte Tanzschritte und Körperbewegungen zugeordnet. Die Santeria ist ein gutes Beispiel für den kulturellen und religiösen Einfluss der Sklaven, die einst nach Kuba verschleppt wurden, und deren Rituale und Glaubensinhalte aus den afrikanischen Herkunftsorten auch heute noch sichtbar sind. Nachdem die Santeria im katholischen Kuba der Kolonialzeit nicht erwünscht war, tarnten die Sklaven ihre Gottheiten ursprünglich als katholische Heilige, sogenannte “Santos”, woraus sich der Begriff “Santeria” ableitet.

 

Die Santeria wurde jahrhundertelang im Geheimen praktiziert, um religiöser Verfolgung und der allgemein mit der afrokubanischen Kultur verbundenen sozialen Stigmatisierung zu entgehen. Heute kann die Santeria offen praktiziert werden und ihre Tempel und Orisha-Statuen können beispielsweise in der Callejon de Hamel in Havanna besichtigt werden. Dabei handelt es sich um eine Art Open-Air-Kunst-Museum, in dem sich neben zahlreichen Kunstwerken auch Santeria-Tempel und überlebensgroße Statuen von Orishas (Santeriageistern) befinden. Viele von ihnen sind aus Altwaren entstanden – ein gutes Beispiel dafür, wie Kunst und Religion einander in der afrokubanischen Kultur ergänzen.

Dance the Reggaeton

Die kubanischen Jugend tanzt heute auch gerne zu den harten Beats des Reggaeton, einer Musikrichtung, die sich aus Reggae, Hip-Hop, Merengue, lateinamerikanischer Musik und elektronischer Tanzmusik entwickelt hat. Diesen Tanzstil könnte man auch als jüngere, provokativere und wildere Version des klassischen Salsa bezeichnen. Die Grundlage für die lasziven Bewegungen der Mädchen und Jungs findet sich in US-amerikanischen Hip-Hop-Videos.

 

Entstanden ist der Reggaeton nicht auf Kuba, sondern hat seine bedeutendsten Wurzeln in Puerto Rico, von wo aus er sich in ganz Lateinamerika, in die USA und später auch nach Europa ausbreitete. In Kuba entwickelte sich die Reggaeton Szene der 90er Jahre. Die ersten großen Erfolge mit diesem neuen kubanischen Musikstil hatte die Band SBS. SBS mischte kubanische Musik mit Rap und begannen damit, einen neuen Reggaeton-Stil zu entwickeln. Es folgte eine Vielzahl von Reggaeton Sängern, die mit ihrer Musik im ganzen Land bekannt wurden, und den Regaetton immer populärer machten. Die Bekanntesten davon sind Candyman, El Medico, Triangulo Oscuro, Máxima Alerta, Pandilla X, Concepto, Baby Lores, El Chacal, El Insurrecto, Gente de Zona, Chocolate, Osmani Garcia, Kola Loka, Eddy K, Jacob Forever oder El Uniko, um nur einige zu nennen. Diese Gruppen und Solokünstler entwickelten einen eigenen kubanischen Reggaeton, den Cubaton. Der Cubaton ist im heutigen Kuba allgegenwärtig, getanzt wird zu seinen Rhythmen auf Straßen, Plätzen sowie in den Diskotheken und Clubs im ganzen Land.

Kuba - Kunst belebt und befreit

Kuba ist die größte Insel der Grossen Antillen und ein einzigartiges Reiseziel, das sich durch eine harmonische Kombination aus Sonne, Strand, karibischer Lebensfreude und alter indigener und postkolonialer Kultur und Architektur auszeichnet. Rund um die knapp 1300 Kilometer lange Insel verführen tausende Strände, in den Städten besteht ein großes kulturelles Angebot.

 

Kuba ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie man aus Kunst Lebensenergie und positive Stimmung gewinnen, und die Probleme des Alltags dadurch etwas in den Hintergrund rücken kann. Keiner der politischen Umbrüche und auch die nunmehr seit Jahrzehnten andauernden wirtschaftlichen und politischen Probleme konnten den Kubanern die Lebenslust und die Freude an künstlerischen Aktivitäten wie Tanz, Gesang und Malerei nehmen. Die Kubaner haben es immer verstanden, den Widrigkeiten zu trotzen und aus ihrer Kunstbegeisterung neue Energien zu schöpfen.

 

Künstler in Kuba schaffen es trotz der bestehenden Mangelwirtschaft und der nur sehr spärlichen Kunstförderung durch sehr viel Improvisation und Kreativität ihre künstlerischen Talente auszuleben und einzigartige Werke herzustellen. Die Kunst stellt für die Kubaner vielfach auch eine Art der Realitätsbewältigung dar, die dabei hilft, über die allgegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Probleme hinwegzusehen bzw. diese zu verdrängen. Musik und Tanz sind feste Bestandteile des kubanischen Alltages. Salsa, Rumba, Reggaeton sowie unterschiedliche Formen afro-kubanischer Musik sind in den privaten Häusern und in der Öffentlichkeit allgegenwärtig. Jährlich finden in den Provinzen staatlich organisierte und geförderte Karnevalsveranstaltungen mit zahlreichen Live-Auftritten von Sängern und Tanzgruppen statt. Einen hohen Bekanntheitsgrad hat etwa der jährliche Karneval in Santiago de Cuba, während dessen die Stadt in eine Art Rauschzustand verfällt, und die sonst allgegenwärtigen Probleme einfach weggetanzt werden.

 

Neben der staatlich geförderten Kunstszene gibt es auch Künstlergruppen, die in ihren Werken Unzufriedenheit und Kritik am Establishment frei ausdrücken. Da in Kuba Meinungsfreiheit und die daran gebundene Kunstfreiheit nur innerhalb der staatlich vorgegebenen Grenzen gewährleistet sind, handelt es sich dabei um eine sehr mutige Form des Protests, der einmal mehr zeigt, dass die freie Kunst in Kuba bisher alle politischen Systeme überstanden hat. Abseits der staatlich geförderten Kunst werden in der kubanischen Künstlerszene auch sehr konträre Ansichten zu gesellschaftlichen und politischen Themen gibt, und diese auch entsprechend ausgedrückt. Die Rapper Los Aldeanos etwa sind ein gutes Beispiel für die Existenz dieser freien kubanischen Kunstszene, viele Ihrer Lieder drücken ein Gefühl der Ungerechtigkeit aus und handeln von Alltagsproblemen der kubanischen Bevölkerung. Als Konsequenz wird die Musikgruppe Los Aldeanos vom kubanischen Regime auch nicht gefördert. Sendezeit in Radio und Fernsehen bleiben überwiegend unpolitischer Musik vorbehalten.

 

Trotz oder gerade wegen dieser Komplexität der staatlichen Kunst und Kulturförderung erschaffen kubanische Künstler immer wieder neue beeindruckende künstlerische Werke, und zwar in beiden Bereichen, der staatlich geförderten und der nicht geförderten Kunst. Kuba hat heute eine in der Welt wohl einzigartige und beeindruckende Kunst- und Kulturszene, die insbesondere auf die starke Einbindung kultureller Vielfalt in den kubanischen Lebensalltag sowie die geschichtliche Entwicklung des Landes zurückzuführen ist. Es sind ihre Menschen und ihre Künstler, die die Insel so besonders machen, und jährlich viele Millionen Besucher anziehen.